Die ältesten Nachrichten von Juden in Weisenau stammen aus dem 15. Jahrhundert. Zu dieser Zeit gab es drei Ortsherrschaften in Weisenau: den Isenburgischen Teil, den kurfürstlich-mainzischen Teil und den Immunitätsbereich des St. Viktorstiftes. Alle drei Ortsherren siedelten Juden in Weisenau an. Als der Isenburgische Anteil 1702 an den Kurstaat Mainz gefallen war, gab es noch zwei Ortsherrschaften und dementsprechend zwei Jüdische Gemeinden im Ort.
Um 1784 als auch der Immunitätsbereich von St. Viktor an den Mainer Kurstaat gekommen war, lebten 50 jüdische Familien mit rund 250 Personen in Weisenau, was einen Anteil von 22 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmachte. Damit hatte der Ort prozentual den höchsten Anteil an Juden unter den Einwohnern im gesamten Kurstaat Mainz.
Eine der ältesten jüdischen Familien in Weisenau war die Familie Metzger. Nationale und internationale Bedeutung erlangten die aus Weisenau stammende Gelehrtenfamilie Bernays und die Musikerfamilie Ganz.
Nach 1800, als das linke Rheinufer französisch war, verließen viele Weisenauer Juden die Gemeinde und zogen nach Mainz. 1810 hatte die Jüdische Gemeinde Weisenau noch 120 Mitglieder, was einem Anteil von 8,6 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb diese Zahl in etwa konstant, sie entsprach aber angesichts des Anstiegs der nichtjüdischen Bevölkerung schließlich nur noch 2,4 Prozent der Gesamtseelenzahl.
1925 bestand die Jüdische Gemeinde nur noch aus 30 Mitgliedern oder 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das Ende der Jüdischen Gemeinde Weisenau kam mit der Eingemeindung von Weisenau nach Mainz am 1. Februrar 1930.
In der Nazizeit konnten einige wenige Personen emigrieren; acht Namen von Weisenauer Juden finden sich in den von Mainz aus in die Konzentrationslager deportierten Juden.
Autor: Friedrich Schütz
Die Weisenauer Synagoge wird in den Jahren 1737/38 auf den Grundmauern eines zuvor schon bestehenden Gebäudes errichtet. Für den Kauf des Grundstückes und den Bau der Synagoge gewährt der Mainzer Domherr und Propst zu St. Viktor, Anselm Franz Freiherr von Ingelheim der Weisenauer Judenschafft ein Darlehen von 3.400 Gulden.
Im Jahre 1793 wird die Synagoge bei der Belagerung von Mainz schwer beschädigt. Aus Geldmangel dauert es 25 Jahre, bis die Schäden behoben sind und die Synagoge erneut eingeweiht werden kann (1818).
Die Synagoge dient den Weisenauer Juden im 19. Jahrhundert und bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts als Gotteshaus. Kultisch genutzt wird die Synagoge zuletzt am 3. Juli 1938 für eine Trauung.
In der Progromnacht vom 09./10. November 1938 wir die Synagoge geplündert, aber nicht in Brand gesetzt aus Furcht, der Brand könne auf die umliegenden Häuser übergreifen. Vermutlich hat auch die verborgene Lage der Synagoge dazu beigetragen, dass sie nicht wie die anderen Mainzer Synagogen völlig zerstört wurde.
1939 muss die Jüdische Gemeinde unter dem Zwang der Verhältnisse, Grundstück und Synagoge zu einem vom Oberbürgermeister festgesetzten Preis von 350,-- Reichsmark, der auf ein Devisenkonto einzuzahlen ist, veräußern.
1944/45 wird das Bauwerk von Brandbomben getroffen, ohne das größere Schäden entstehen.
In den beiden ersten Nachkriegsjahrzehnten gerät die ehemalige Weisenauer Synagoge im öffentlichen Bewusstsein der Stadt in Vergessenheit. Sie wird zweckentfremdet, zunächst als Hühnerstall (im Krieg), dann als Holzlager, schließlich als Gerümpelschuppen mißbraucht und verfällt im Laufe der Jahre immer mehr.
Erst im Zusammenhang mit der Ausstellung ,,Juden in Mainz" in den Jahren 1978/79 erinnert man sich wieder an eine in Weisenau gelegene Synagoge. Der Bau wird in einem völlig verwahrlosten Zustand gefunden; jedoch sind Teile des ehemaligen Sakralraumes noch erkennbar. Seitdem gibt es Diskussionen, die ehemalige Weisenauer Synagoge zu restaurieren.
1984 wird die Synagoge unter Denkmalschutz gestellt. Die Denkmalschutzbehörde stellt fest, dass es sich bei dem Bau ,,um ein bedeutendes, heute seltenes Beispiel´´ des jüdischen Kultbaus aus dem 18. Jahrhundert handelt, an dessen Erhaltung und Pflege trotz seines sehr renovierungsbedürftigen Zustandes ein öffentliches Interesse besteht.
Im August 1987 nimmt die Stadt den Bau in ihre Obhut, um ihn vor einem völligen Zusammenbruch zu bewahren. Die Schwestern der Vincentinerinnen - durch Erbgang zuletzt Eigentümer der ehemaligen Synagoge - schenken Grundstück und Bau der Stadt.
Im Jahre 1989 legt die Stadt die Grundmauern trocken und erneuert die einsturzgefährdete Westwand. Aus Geldmangel kann jedoch mit einer Restaurierung nicht begonnen werden.
1992 ergreift Frau Prinsen-Eggert, Studiendirektorin am Frauenlobgymnasium in Mainz,
die Initiative zur Bildung eines Fördervereins.
Der Verein wird am 23. Mai 1993 mit dem Ziel gegründet, die Restaurierung der Weisenauer Synagoge voranzutreiben und den Bau einer geeigneten kulturellen Nutzung zuzuführen.
Dr. Heinrich Schreiner, ehemals Präsident der Landeszentralbank in Rheinland-Pfalz, wird zum Vorsitzenden des Vereins gewählt.
Dank der Aktivitäten des Vereins kann im Herbst 1993 mit der Sanierung des Daches begonnen werden, und die Restaurierungsmaßnahmen können sich daran unmittelbar anschließen. Vom Förderverein aufgebrachte Finanzmittel werden mit Mitteln aus dem Stadthaushalt gebündelt. Die einzelnen Restaurierungsschritte können ohne zeitliche Verzögerung aufeinander folgen.
Sanierung und Restaurierung des Baues stehen unter der Leitung der Architektin, Karin Brügmann-Weise. Alle Maßnahmen erfolgen in enger Abstimmung mit der staatlichen und städtischen Denkmalpflege.
Die Restaurierung der Sandsteinarbeiten, der malerischen Gestaltung im Innenraum, des hölzernen Tonnengewölbes mit seinem vierfarbigen Sternenhimmel, der hebräischen Texte, der Bima, des Thorascheins, des Portals und der Frauenempore folgen historischem Vorbild. Bei der Gestaltung der Fenster werden neue Wege beschritten.
Prof. Johannes Schreiter, der Künstler, deutet in zurückhaltender Form die Leiden der Juden in der Geschichte an.
Am 27. Mai 1996 wird die Weisenauer Synagoge von dem vor 83 Jahre in Mainz geborenen Rabbiner, Prof. Dr. Leo Trepp eingeweiht. Es ist der Jahrestag, an dem vor 900 Jahren die damals blühende Mainzer Judengemeinde in den Wirren des 1. Kreuzzugs nahezu völlig ausgelöscht wird.
Förderverein und Stadt wollen, dass an diesem Ort die bedeutende, aber auch leidvolle Geschichte der Mainzer Judengemeinde immer präsent bleibt; die Weisenauer Synagoge wieder in Sakralraum der Juden wird, der für gottesdienstliche Zwecke genutzt werden kann; in der Synagoge durch Ausstellungen, Konzerte und Vorträge jüdische Kultur und jüdische Geschichte vermittelt werden; und jüdisch-christliche Ökumene in besonderer Weise gepflegt wird.
Autor: Heinrich Schreiner †
Das Mauerwerk des kleinen Schutzbaus entspricht in wesentlichen Teilen einem Umbau des Jahres 1953. Sein neuer, benachbarter Eigentümer hatte den ursprünglichen Bau 1937 während der NS-Zeit mitsamt dem Synagogengrundstück erworben und alsbald zum Lagerraum umgewandelt. Unmittelbar nach dem Krieg diente das Bauwerk als Notunterkunft für eine Familie.
Auf Initiative des ehemaligen Vorsitzenden des Fördervereins Synagoge Weisenau, Dr. Heinrich Schreiner, und mit Zustimmung des damaligen Eigentümers, des Vincentinerinnenordens, wurde im Herbst 1996 in dem Backsteinbau eine Probebohrung durchgeführt.
Nach Aufbrechen des Betonfußbodens konnte der Landesarchäologe Dr. Gerd Rupprecht mit seinem Team ein ebenerdig gelegenes Sandsteinbecken freilegen. Gemäß archäologischem Befund hatte das Tauchbecken ursprünglich eine größere Tiefe. Die das Becken umfassenden Steinplatten weisen an der Oberseite Rillen auf, die der Stabilisierung einer weiteren Plattenreihe dienten. Vermutlich wurden die höheren Partien bei Errichtung des Lagerraums abgetragen.
Der Backsteinbau wurde 2001 der Stadt Mainz übereignet. Dr. Rupprecht hatte nun die Gelegenheit, den gesamten Betonfußboden zu entfernen und das Umfeld der 1996 gefundenen Mikwe zu untersuchen. Dabei stieß er mit dem Team auf eine weitere Mikwe, die etwa 6 m unter der Erdoberfläche liegt. Über 21 Stufen führt ein kunstfertig im Stil der Barockzeit fischgrätartig überwölbter Gang in die Tiefe bis zum Grundwasserniveau, das sich mit dem Wasserstand des Rheins verändert. Dabei kann in dem Tauchbecken von 150 cm Seitenlänge eine Wassertiefe von 70 cm erreicht werden.
Die 2001 entdeckte Mikwe ist möglicherweise mit dem Bau der Synagoge 1737/38 entstanden, vielleicht auch schon früher; „spätestens jedoch im Zusammenhang mit der Errichtung des Gemeindehauses 1760“ (D. Krienke) an dieser Stelle. Die 1996 geortete Mikwe wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffen. Das Großherzogliche Kreisamt Mainz hatte 1844 die Wasserqualität der barocken Mikwe beanstandet. Die Jüdische Gemeinde Weisenau sah daraufhin keinen anderen Ausweg, als sich den Notbehelf des Sandsteinbeckens schaffen zu lassen. Die ältere Mikwe wurde aufgegeben und zugeschüttet.
2002 konnten die beiden Tauchbäder der Öffentlichkeit präsentiert und über Jahre bei Führungen gezeigt werden. Als dann im Winter 2010/11 ein Teil der abgehängten Decke des Bauwerks herabgestürzt war, wurde dies von der Stadt Mainz zum Anlass genommen, eine umfassende Sanierung und Restaurierung des Baus in die Wege zu leiten. Der Förderverein hat sich an den Kosten beteiligt. Im Mai 2015 konnte der erneuerte Schutzbau des kulturhistorisch bedeutenden Denkmals der Öffentlichkeit übergeben werden.
Unter Leitung des Mainzer Architekten Franz Kurz ist eine höchst gelungene Umgestaltung erfolgt, des Inneren sowohl wie des Außenbereichs. Eine kleine Glaspyramide auf dem Dach sorgt für den Einfall des Tageslichts. Die durch Mainzer Kunstschmiede geschaffene kunstvolle Schiebetür verweist mit ihrer Wellensymbolik auf das natürliche Wasser der Tauchbecken. Eine kleine Treppe führt zum Eingang hoch. Der am Fuß der Stufen und in Rillen auf ihnen selbst verwendete weiße Glaskies gibt Raum für mancherlei Assoziationen.
Autor: Renate Leopold / Reinhard Frenzel (Juni 2015)
Verwendete Literatur:
Dieter Krienke, Weisenau – Synagoge und Mikwen. „Wiederentdeckung“ und Rettung der Weisenauer Synagoge, in: Hedwig Brüchert (Hrsg.), Die Mainzer Synagogen, Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter, Mainz 2008, S. 119 – 136 / hier: S. 132 – 136;
Tafeltext „Haus der Mikwen“ (Autor: Heinrich Schreiner).